Dienstag, 15. November 2005

„The Future of the Internet“ – Experten am Werk

Ende des vergangenen Jahres stellte das PEW Internet & American Life Project eine Gruppe von Experten (fast 1300 Menschen) vor die Aufgabe, sich ein Bild von der zukünftigen Entwicklung des Internets zu machen. Es ist wirklich interessant inwieweit die Vorstellungen der Experten sich mit den meinen decken oder in anderen Bahnen verlaufen. Wobei ich hier betonen möchte, dass ich mich mit einer Konkretisierung der zukünftigen Entwicklung innerhalb meines Artikels bewusst zurück gehalten habe.
In einem sind wir uns allerdings alle einig: Das allgegenwärtige Internet wird wohl an Geschwindigkeit zunehmen, um Menschen verschiedener Interessensgruppen näher zusammen zu bringen, wodurch virtuelle Gemeinschaften gegründet und erweitert werden.
Es waren sich 56% der Befragten einig, dass künftig die Grenzen zwischen Arbeits- und Familienleben zunehmend verschwimmen werden. Tendenzen hierzu sind ja bereits heute spürbar, wenn man an Menschen denkt, die von zu Hause aus arbeiten. Auch die Aussichten dem Lehrernotstand ein Ende zubereiten, indem ein Lehrer virtuell mehrere Klassen unterrichtet, wurde zwar von mir nicht explizit ausgeführt, dennoch halte ich auch dies für äußerst realistisch. Schließlich wäre eine solche Unterrichtsform auf Dauer kostengünstig. Zumal bereits heute Fernstudiengänge angeboten werden. Oder erinnern wir uns mal an das gute alte Telekolleg.
Eine eher erschreckende Vorstellung, die mir in solchem Maß nicht eingefallen wäre, ist die Befürchtung, dass sich das Internet zu einem Spionageprogramm entwickelt, durch dass es dem Staat ermöglicht wird, seine Bürger zu kontrollieren. Zwar wird bereits heute vom gläsernen Menschen gesprochen, dennoch möchte ich bezweifeln, dass es zu einer globalen Kontrolle, auch hinsichtlich von Terrorprävention, mit solchem Ausmaß kommen würde.
Bei solchen Befragungen muss man immer darauf achten, wo sie stattgefunden haben. Von einer kleinen Stichprobe gleich auf die gesamte Weltbevölkerung zu schließen, ist eine wackelige Angelegenheit. Vor allem, wodurch sich die befragten Experten als eben solche auszeichnen, ist leider in der Studie nicht herausgekommen. Sind es wirklich Experten die sich mit Entwicklungstheorien auseinander setzen, oder gehörten auch sie einst der pickeligen Teenygeneration an, die das frühe Internet aus privaten Zwecken für sich entdeckte?
Zwar ist die vorliegende Studie durchaus interessant, dennoch würde ich mich, beruhend auf einigen formalen Kleinigkeiten, davor hüten die Ergebnisse als universell zu betrachten. Es ist eine kleine Aussicht, wie es sein könnte, wenn die momentanen Faktoren beibehalten werden. Aber trotz allem darf man nicht vergessen, dass es oftmals anders kommt, als es sich Experten gedacht haben. Bestes Beispiel hierfür ist wohl die Wahlprognose der letzten Wahlen^^

Die genauen Ergebnisse finden sich hier
http://www.elon.edu/predictions/2004_experts_survey.pdf
Der Fragebogen:
http://www.pewinternet.org/pdfs/Experts_future_survey_results.pdf

Das globale Gehirn – Eine schizophrene Vernetzung

„We are the Web“ heißt ein durchaus interessanter Artikel von Kevin Kelly (näheres zu seiner Person gibt es unter http://www.kk.org/narrative/index.php). Insgesamt beschreibt der Artikel die Entwicklung des Internets, beginnend in der Vergangenheit bis hin zu einer nicht ganz so fernen Zukunft. Es ist schon erstaunlich, wie sehr man in fast jeder Zeile des Beitrages die Begeisterung des Autors für das Medium „Internet“ spürt. In fast schon zynischem Ton belächelt er die falschen Prognosen der Medienexperten, welche dem Internet eine mehr als klägliche Zukunft prognostizieren. Es ist heute fast nicht mehr vorstellbar, dass man das Internet als nicht rentabel einstufte, oder sogar der Meinung war, dass der „Couch Potato“ Konsument an einer aktiven Rolle innerhalb eines Mediums nicht interessiert ist. Wie hat man sich damals nur das Bedürfnis von Leserbriefen und Zuschaueranrufen erklärt, wenn sich der Rezipient in seiner passiven Rolle doch so wohl fühlt? Umso erstaunlicher ist doch die Tatsache, dass es mittlerweile zum guten Ton gehört, mindestens eine Internetidentität zu besitzen.
Der weitaus gewagteste Teil, ist Kellys Zukunftprognose, bei der ich mehr als einmal schmunzeln oder sogar den Kopf schütteln musste. Natürlich ist eine virtuelle Vernetzung der einzelnen Internet User nicht mehr von der Hand zu weisen. Aber deswegen gleich von einer Entwicklung zu einer neuen, höheren Intelligenz zu sprechen ist doch wohl mehr als übertrieben. Kellys Vorstellung, dass sich das Wissen der Netzwerkwelt zu einem großen Komplex zusammen schließt, würde unter anderem voraus setzen, dass die einzelnen Akteure, welche mit Neuronen im Gehirn verglichen werden, ähnliche oder nur bedingt andere Meinungen zu einem Thema hätten. Stellen wir uns vor, ein Teil unseres Organismuses erteilt den Befehl nach vorne zu laufen, ein anderer möchte aber lieber rückwärts gehen. Das Ergebnis währe ein Stillstand. Aber gerade durch solche Einzelheiten lebt das Internet. Durch den Zusammenschluss von Millionen von Meinungen die sich sowohl widersprechen, als auch ergänzen. In seinen Ausführungen lässt sich Kelly von seiner Internetbegeisterung mitreißen und wird bei seinen Zukunftsprognosen unsachlich und spekulativ. Teilweise musste ich sogar unwillkürlich an Cartmans „Trapper Keeper“ aus der Serie „Southpark“ denken. Und damit war bei mir der Ernst der Ausführungen verflogen.
Eigentlich hätte Kelly bereits bei seinem Rückblick merken sollen, dass sich das Internet in der Vergangenheit genau so entwickelte, wie es eigentlich keiner wollte. Warum sollte es sich in der Zukunft ändern? Der agierende Mensch und seine Errungenschaften sind in solchem Maße flexibel, dass es schwer ab zu schätzen ist, inwieweit sich beides in der Zukunft entwickelt. Eine vorsichtige Zukunftsprognose kann man wagen, aber man sollte sich dennoch nicht von den eigenen Wünschen hinreisen lassen.

Quelle: http://www.wired.com/wired/archive/13.08/tech.html?pg=1&topic=tech&topic_set=

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